Singforschung
Wolfgang Bossinger führte zusammen mit Prof. Dr. Stephen Clift und Prof. Dr. Gunter Kreutz die folgende Studie über die Wirkungen von Singgruppen an Kliniken und Gesundheitseinrichtungen durch.
Veröffentlicht 2015 in: Oxford Textbook of Creative Arts, Health, and Wellbeing - International perspectives on practice, policy and research
Chapter 42. Case Study: Singing in Hospitals: Bridging therapy and everyday life
Gunter Kreutz, University of Oldenburg, Germany, Stephen Clift, Canterbury Christ Church University, UK,
Wolfgang Bossinger, Singing Hospitals International Network, Germany
Abstract
Singing Hospitals is an International Network to promote singing in health facilities. The chapter first describes the development of the initiative, its mission and quality control issues since its inauguration in 2010. The growing number of clinical singing groups over the years suggests high a potential to include a wide range of patient populations in musical activities. Recently, a research project has been launched to address the experiences of both singing leaders and singers by means of interview and questionnaire data. Taken together, the findings support notions of psychophysiological health benefits. Longitudinal studies will be needed to explore the dynamics of these benefits and the contribution of group singing to facilitating individual transition between therapy and every-day life.
In dieser Forschungskooperation mit Prof. Dr. med. Maximilian Moser, Chronomediziner, Universität Graz untersuchten wir den Einfluss von besonderen Formen des Singens und Tönens auf die Herzratenvariabilität und die Synchronisierung von Körperrhythmen. Durch besondere Formen des Singens kommt es zu einer Synchronisierung von Atemrhythmus, Blutdruck und rhythmischen Schwankungen der Herzfrequenz u. a. auch als sogenannte „Herzkohärenz“ bezeichnet. Bisherige Forschungen der Chronobiologie und Chronomedizin sprechen dafür, dass solche Resonanzphänomene von Körperrhythmen zum einen in Verbindung mit Gesundheit und Erholung stehen, zum andern ein Zerfall dieser Synchronisierungen charakteristisch für viele Kranheitsprozesse ist. Durch besondere Formen des Singens (spezielle Mantren und Tönen) können im Organismus heilsame Zustände aktiviert werden und der Organismus wieder angeregt werden zum eigenen Rhythmus zurückzufinden. Weitere Infos in dem Film und dem Buch "Schwingung und Gesundheit", Traumzeit-Verlag.
In diesem autochronen Bild zeigen sich charakteristische Schwingungen der Herzfrequenz (sichtbar als rote Linien im Frequenzbereich von 0,1 Hertz sowie Obertonschwingungen darüber gelb und weiss), hervorgerufen durch das Mantra Soham. Solche starken Synchronisationszustände treten normalerweise nur im Tiefschlaf auf und weisen auf Erholungsvorgänge des Körpers hin.
Dieses Bild wurde mit der Software Heartnet-meeting von der Firma Heartbalance erstellt. Mittels dem, in Weltraumforschung von Prof. Dr. Maximilian Moser entwickelten Heartman wurden die feinen Schwingungen der Herzen dreier Versuchspersonen aufgezeichnet und per Funksignal aud einen Computer übertragen. In dem Bild ist zu sehen, wie es im mittleren Teil des Verlaufes ausgelöst durch das Singen des buddhistischen Mantras "Om Tare Tu Tare ture suha" bei alllen drei Versuchspersonen zu hochsynchronen Schwingungen kommt. Die drei Herzen beginnen sich vollkommen aufeinander einzuschwingen. Zusätzlich kommt es dabei zu einer Synchronisierung mehrere Köprerrhythmen.
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Three Hearts beat as One
Hochsynchrone Schwingungen von Körperrhythmen
Om Tare Tuttare-Mantra aufgezeichnet mit dem Heartman
Daten und Bildauswertung durch Dr. Remy Stoll. Durch Überlagerung der einzelnen Mantra-Strophen wird die geschaffene Ordnung und Rhythmik besonders deutlich erkennbar. Das gemeinsame Mantra-Singen synchronisiert die Herzratenvariabilität der SängerInnen. Ebenso wiederholen sich die Herzratenvariabilitätsmuster jeder SängerIn in jeder Strophe.
Die Wellenbewegung von 0,16 Minuten (10 Sekunden) länge entspricht der Länge einer Mantra-Strophe. Die 10 Mantrastrophen der 3 SängerInnen sind in der Darstellung überlagert, wobei jede neue Strophe beim Zeitpunkt 0 beginnt und die nachfolgende Mantrastrophe ebenfalls dargestellt wird. Jeder Herzschlag ist mit einem Symbol dargestellt, wobei die Farbe des Symbols die SängerIn darstellt.
Bei vergrösserter Darstellung werden die „Herzschlag-Mantras“ sichtbar. Die im Mantra-Singen geschaffene Ordnung betrifft nicht nur die 10-Sekunden Wellenbewegung der Herzschlaggeschwindigkeit, sondern auch die Abfolge der einzelnen Herzschläge wärend der Mantra-Strophen. Von Strophe zu Strophe gibt es für jede Sängerin und zwischen den SängerInnen eine wiederkehrende Ordnung
Wieder sind die 10 Mantrastrophen der 3 SängerInnen überlagert, wobei die Farbe der Symbole die SängerIn darstellen und jeder Herzschlag mit einem Symbol dargestellt wird. Die Nummern in der Graphik zeigen die Herzschlagabfolge wärend der Mantrastrophen an. Während SängerIn „blau“ etwa 14 Herzschläge pro Mantra macht, machen SängerInnen „gelb“ und „rot“ etwa 11 Herzschläge pro Mantra.
Die physiologische Mantra-Strophe dauert von Herzraten-Maximum zu Herzraten-Maximum. Die dazwischen liegende Anzahl Herzschläge ist in Bild hb03 dargestellt. Jede SängerIn ist mit einem unterschiedlichen Symbol im Diagramm dargestellt.
Die Dauer der physiologischen Mantrastrophe bleibt dabei relativ Konstant (und dürfte von der Genauigkeit der Anweisungen zum Einatmen abhängen). Die Schwankungen sind für alle 3 SängerInnen in etwa gleich gross.
Wolfgang Bossinger: Prof. Moser - Sie sind einer der bekannten Chronomediziner - können Sie zunächst genauer erklären, was unter Chronomedizin bzw. Chronobiologie zu verstehen ist und was diese Fachrichtung für eine Bedeutung für Gesundheit bzw. Krankheit und Behandlung hat?
Prof. Maximilian Moser: Neueste Forschungen zeigen, dass Leben auch Musik ist. In seinen Körperabläufen folgt z.B. der menschliche Organismus kosmischen Rhythmen wie dem Tag-Nacht-Rhythmus oder dem Jahresrhythmus. Zu diesen von außen gesteuerten Rhythmen, die schon mit wenigen Lebenswochen ins Körperinnere übernommen werden, kommen innere Rhythmen wie Herzschlag, Atmung oder der sogenannte basale Aktivitätszyklus. Diese Rhythmen sind untereinander vernetzt und verwoben wie die Instrumente eines Symphonieorchesters. Diese Zusammenhänge untersucht die Chronobiologie, die Chronomedizin nutzt die Erkenntnisse medizinisch: In einem Orchester ist es wichtig, dass die Triangel zur rechten Zeit einsetzt, ein Fehleinsatz wäre äußerst
peinlich! Auch die Wirkung von Medikamenten zeigt große Unterschiede, je nachdem, ob diese am Abend oder am Morgen gegeben wurden - die Anwendung zur rechten Zeit lohnt nicht nur, sie kann bei Krebsmedikamenten sogar lebenswichtig sein.
Wolfgang Bossinger: Sie beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit den Zusammenhängen zwischen Rhythmus und Gesundheit - wie stehen diese beiden Themen miteinander in Beziehung?
Prof. Maximilian Moser: Ein gesunder Organismus ist chronobiologisch in Harmonie - seine Rhythmen sind synchronisiert und aufeinander abgestimmt. Gestörte Rhythmen treten bei Nacht- und Schichtarbeit, bei hohem Stress und bei Jetlag auf. Neue Studien haben gezeigt, dass diese Störungen zu schweren Erkrankungen: Stoffwechselstörungen, Herzinfarkt und erhöhter Krebsrate führen können. Die Wiederherstellung einer intakten Rhythmik wird in der Medizin, insbesondere der präventiven Medizin der Zukunft eine große Rolle spielen. Im Humanomed Zentrum in Österreich entwickeln wir gerade eine Rhythmustherapie, die dieses Thema zum Inhalt hat.
Wolfgang Bossinger: Wie ist es möglich von außen also mit künstlerischen, musikalischen oder anderen therapeutischen Mitteln gesundheitsfördernd Einfluss auf diese Körperrhythmen zu nehmen?
Prof. Maximilian Moser: Körperrhythmen sind Schwingungsvorgänge, die wie physikalische Schwingungen angeregt werden können und Resonanzeigenschaften haben. Musik und gestaltete Sprache enthalten Zeitmuster, die aus der menschlichen Physiologie kommen - sie wurden ja von Menschen geschaffen. Deshalb sind sie, wie unsere Untersuchungen gemeinsam mit Forschergruppen aus Deutschland und der Schweiz zeigen, besonders geeignet, Resonanzphänomene im Organismus auszulösen und blockierte Rhythmen wieder in Gang zu bringen. Die Wirkung geht über den spezifisch angeregten Rhythmus hinaus und wirkt auf das ganze rhythmische System und damit auch den wichtigsten Erholungsrhythmus überhaupt - nämlich den Schlafrhythmus. Guter Schlaf ist für die tägliche Wiederherstellung von Gesundheit und Wohlbefinden von größter Bedeutung.
Wolfgang Bossinger: Gibt es generell Erkenntnisse aus ihren chronobiologischen Forschungen darüber, was jeder einzelne aktiv für die Erhaltung der eigenen Gesundheit tun kann?
Prof. Maximilian Moser: Ein bewusster Umgang mit Körperrhythmen ist schon von Geburt an empfehlenswert. So haben Studien gezeigt, dass eine tagesrhythmische Beleuchtung gegenüber einer einförmigen Beleuchtung oder Dämmerlicht besseres Wachtum und weniger Schlafstörungen bei Säuglingen bewirkt. Auch sehr alte Menschen wissen um die Bedeutung der Rhythmen für die Gesundheit: Hundertjährige gehen ihrer Umwelt oft auf die Nerven, weil sie genau zu einer bestimmten Zeit Mittagessen wollen - allein, sie wären ohne diese Einhaltung eines Tagesrhythmus wahrscheinlich gar nie so alt geworden. Rhythmen sollten also gepflegt werden, durch einigermaßen regelmäßiges Essen, Schlafen und Bewegen. Auch die uralten Jahresfeste helfen unserem Organismus, sich in den Jahreszeiten zurechtzufinden. Die Polaritäten, denen wir durch Tag und Nacht, Wärme und Kälte, Trockenheit und Feuchte ausgesetzt ist, helfen unserem Organismus, seine Regelsysteme zu eichen und Flexibilität gegenüber Umwelteinflüssen zu behalten. Gesundheit baut auf Dynamik und Dynamik heißt auch intakte biologische Rhythmik.
Wolfgang Bossinger: Lassen sich aus ihren Forschungen gesellschaftliche und gesundheitspolitische Konsequenzen ableiten, wie z.B. für die Gestaltung von Arbeitsstrukturen und Abläufen oder für gesellschaftliche Einrichtungen?
Prof. Maximilian Moser: Die wichtigste Konsequenz für die Arbeitswelt ist wohl die, dass die Maschinen in ihrem Rhythmus dem Menschen angepasst werden sollten, und nicht umgekehrt. Konkret heißt dies, dass Nacht- und Schichtarbeit nur im Notfall praktiziert werden sollten und mit ganz anderen als den bisher üblichen Schichtmodellen. Für die Medizin ergeben sich aus den Erkenntnissen der Chronobiologie diagnostische und therapeutische Konsequenzen, die in vielen Bereichen Eingang finden werden - ich denke an Diagnosemethoden wie die Herzfrequenzvariabilität, die unser Institut intensiv beforscht, aber auch an den präventiven Einsatz von Rhythmustherapien. Auch in der Onkologie gibt es bereits Ergebnisse, die den Einsatz von Chemotherapeutika zu bestimmte Tageszeiten eindeutig empfehlen.
Wolfgang Bossinger: Wie sind sie persönlich zu der Beschäftigung mit dem Thema Rhythmus und Gesundheit gekommen?
Prof. Maximilian Moser: Ursprünglich war ich in der Kreislaufforschung tätig, wo man natürlich zwangsläufig mit dem Rhythmus des Herzens konfrontiert wird und sich fragt, warum der Organismus ein Organ baut, das ab der dritten embryonalen Woche zu schlagen beginnt, fast sein gesamtes Wachstum im schlagenden Zustand absolviert und sich bis zum Lebensende keine Ruhepause gönnt. Dabei stellt man bald fest, welche Vorteile ein schwingendes, dynamisches System gegenüber einem statischen hat. Von dort zur (Wieder)entdeckung, dass alle Lebensvorgänge von intensiven Schwingungen begleitetet sind, ist es nicht mehr weit. Die Begegnung mit einem der Gründungsväter der Chronobiologie in Deutschland, Gunter Hildebrandt, brachte mich dann endgültig zum Thema.